Dalmore, die Kathedraledes Nordens

Von Öltürmen,Fußbällen und Alligatoren


Die Destillerie ist, im Gegensatz zu ihrem Whisky, schwer zufinden. Es ist keine der für Busladungen voller Großmütterherausgeputzten Brennereien. Beim Eingang steht sogar ein Schild"Kein Zutritt". Zutritt ist nur aus geschäftlichenGründen möglich, es sei denn, Sie haben eine Verabredung, unddann müssen Sie die Destillerie zuerst noch finden.

Nach Norden verläßt die A9 Inverness und überquert dieKessock Brücke, die unwahrscheinlich grüne Black Isle und denDamm über die Cromarty Firth. Die Straße biegt nach Osten ab,und Sie sehen die Öltürme, die die Firth verunstalten, rostige,heroische Überbleibsel einer titanischen Technologie. Um dieDestillerie zu erreichen, müssen Sie die B817 durch das DorfAlness nehmen. Unmittelbar nachdem Sie die Hauptstraßeüberqueren, steht rechts ein Tor und eine Zufahrt, die Siewieder an die Küste und zu den Öltürmen bringt.

Man hat das Gefühl, auf Meereshöhe zu sein, und in der Tatparkt man den Wagen einige Schritte vom angeschwemmten Strandgutentfernt. Die zusammengewürfelten alten Gebäude sind ausrotgelbem Stein, dazwischen kleine Höfe und steinerne Tröge,durch die Wasser fließt. Es gibt auch viele relativ neueGebäude, aber der Eindruck ist eher, daß das Moderne ins Alteeingefügt wird; ein organischer Kompromiß zwischen denErfordernissen der Gegenwart und der Präsenz der Vergangenheit.Es ist nicht die herausgeputzte Präsenz des historischenMonuments, denn wie gesagt, ist dies eine Destillerie, die keineBesucher anzulocken sucht.

PhotoDrew Sinclair führt unsherum. Drew ist der stellvertretende Manager. Steve Tullevich,der Manager, mußte zu einer Beerdigung. Drew hat hier vor 28Jahren als Lagerarbeiter angefangen und sich durch jede Arbeit inder Destillerie hochgearbeitet, wie sein Vater vor ihm. Er stelltuns Donald Dunnett vor, den Lagerchef. Dunnett und Sinclair sindseit bald tausend Jahren häufig vorkommende Namen im NordostenSchottlands. Donalds drei Söhne arbeiten ebenfalls in derBrennerei.

Drew führt uns an den Malzbehältern vorbei zur Mühle. Ineiner dunklen Ecke versteckt steht eine einzylindrige,horizontale Dampfmaschine, die früher das Malzfliessbandantrieb. Eine weitere, vertikale Dampfmaschine trieb die Mühlean. Die Farbe auf den Dampfmaschinen ist noch ziemlich frisch,und man hat das Gefühl, daß sich die Räder langsam zu drehenbeginnen würden, wenn man ein Dampfventil öffnen würde. DerMühlraum selbst ist sehr groß, mit einer weinrot gestrichenenMühle und einer Zurichtmaschine über Kopfhöhe. Die Mühlemahlt vierzehn Tonnen Malz pro Maischvorgang, der in einestählerne Maischtonne geht. Von dort geht die Würze wiederum inacht hölzerne Gärbehälter.

Das draff, die Getreiderückstände, die nach demMaischen des Malzes übrigbleiben, wird über große Röhren inBehälter geblasen. Zwei Plastikfußbälle liegen seltsamerweiseauf einem Gestell. Drew erzählt, daß sie verwendet werden, umdie Röhren zu reinigen. Sie passen eben genau hinein. Sie werdenhindurchgeblasen und stoßen damit die Rückstände hinaus. Obdie Fußbälle nur zufälligerweise in die Röhren passen, oderob die Röhren passend auf die Fußbälle gewählt wurden,darüber schweigt Drew.

Der wash charger, der Behälter für die vergoreneWürze, hat einen hölzernen Deckel, und die Griffe der Paddel,ebenfalls aus Holz, ragen hinauf. Die wash geht in vierkurioserweise oben flache Brennblasen. Der Brennraum istvergleichsweise bescheiden in der Größe, verleiht einem aberdoch das Gefühl von Raum, den man in einer Kathedrale bekommt.An beiden Enden des Längsschiffs stehen je eine Gruppe von vierBrennblasen, zwei wash stills und zwei spiritstills. In einem Querschiff stehen die vier spirit safesaus Messing. Der Brenner verleiht den Eindruck von entspannterAufmerksamkeit, der für Brenner und Alligatoren typisch ist.

DrawingDie spirit stillssind merkwürdige Gebilde. Die Zwiebel ist so elegant wie andereZwiebeln auch, aber anstelle eines Rohrs, das hinaufstrebt, alsob die Zwiebel gewachsen wäre, bietet sich dem Auge ein Zylinderaus Kupfer, aus dessen Oberteil der Kopf der Brennblaseherausragt. Der Kupferzylinder beherbergt einenWasserkühlmantel, dessen Aufgabe es ist, eine erste Kondensationzu bewirken, so daß nur die flüchtigsten Dämpfe bis zureigentlichen Kühlschlange gelangen.

Die Brennblasen laufen sehr langsam, und der Brenner nimmt nureinen schmalen Schnitt, um sicherzustellen, daß nur das besteDestillat die Brennblase verläßt. Das Ergebnis ist nicht nur imgereiften Whisky deutlich zu merken, sondern auch im frischenDestillat, denn dieses ist durchaus trinkbar. Es riecht starknach gemälzter Gerste, was nicht weiter erstaunlich wäre, wennreifer Whisky auch danach riechen würde. Das ist aber meistnicht der Fall.

Dann geht es ab ins Faß und ins Lager. Dalmore verwendetsowohl Sherry- als auch Bourbonholz, und mischt die beiden fürdie kommerzielle Abfüllung. Der Whisky ist auch für Blends sehrgefragt und leistet einen ausgeprägten Beitrag an einigebekannte Marken, neben dem doch nicht zu vernachlässigenden undsogar wachsenden Umsatz als Single Malt. Wir trinken ein drammit Drew im eichengetäferten Büro von Steve, das früher dasBüro des Finanzbeamten war. Wir protestieren etwas gegen dieGröße der drams, die Drew in Kristallgläsereinschenkt, aber er erklärt, daß weniger das Glas beleidigenwürde. Der Tumbler als wahrnehmendes und empfindsames Wesen istein neues Konzept, das gewürdigt werden muß. Mit Dalmoreleuchtet es sofort ein. Er hat eine Eigenschaft, die wir schonfrüher beobachtet haben, und die mysteriöserweise einQualitätsmerkmal zu sein scheint: Die Neigung, sehr schnell ausdem Glas zu verdunsten. Vielleicht ist Drews Einschenkmentalitäteine prophylaktische Maßnahme. Glücklicherweise läuft Dalmoreauf vollen Touren, und für Nachschub ist gesorgt.

Phillip Hills

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