Glenkinchie

Ein Schmuckstück inEdinburghs Garten


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Der rote Klinkerschornstein verrät sie. Es ist einunscheinbarer Schornstein, der sich aus einer Senke in derfruchtbaren Landschaft von East Lothian erhebt. Eine Ziegeleivielleicht? Man denkt nicht sofort an eine Destillerie. Es seidenn, man wäre ein treuer Verehrer von Glenkinchie, aufWallfahrt nach Pencaitland.

Dies ist nicht die steinige Landschaft mit Schmugglerhöhlenund abgelegenen Bergpässen, mit brausenden Bergbächen schwarzvor Torf - alles, was Romantik und Legende des Uisge Beathaausmacht. Wir befinden uns hier nur 15 Meilen vom ZentrumEdinburghs entfernt auf wohlanständigem, gepflegtem Ackerlandmit sauber gestutzten Hecken, schmucken Häusern und einigenhübschen Bankkonten. Eine Landschaft bar von Romantik undGeheimnis, doch geprägt von tüchtigen Menschen, die stetswußten, was sie taten und zuzupacken verstanden.

Hier ist das Königreich von Lot, dem Schwager König Arthurs,dem Lothian seinen Namen verdankt. Sein Hof befand sich auf demGipfel von Traprain Law, nicht weit von Glenkinchie. Auf diesemLand wird seit 2000 Jahren Ackerbau getrieben, und man erntet mitdie beste Gerste in Großbritannien.

Kein geringerer Landsmann als Robert Burns beschrieb es als"das herrlichste Land, das ich je gesehen". Und keinGeringerer als John Cockburn lebte im Nachbardorf vonPencaitland. Er, der als "Vater des schottischenAckerbaus" gilt, gründete anfangs des 18. Jahrhunderts dieGesellschaft zur Verbreitung landwirtschaftlicher Erkenntnisse.

Dieser biedere Titel wird dem revolutionären Geist des Mannesnicht gerecht, der Ackerbaumethoden einführte, mit deren HilfeEast Lothian zur Weltspitze gelangte. Er führte ebenfallsKartoffel und Steckrübe in Schottland ein, womit er dassogenannte Burns Supper erfand.

Es ist unmöglich festzustellen, wann der erste Whisky in EastLothian produziert wurde. Der erste schriftliche Nachweis ist einköniglicher Befehl von 1494, aber damals war die Sitte bereitsweit verbreitet. Das Destillieren war ein wesentlicher Teil deslandwirtschaftlichen Kreislaufs. Eine naheliegende Methode, dieGerste zu Geld zu machen. Die Rückstände wurden in derRindermast verwertet.

Nach der Union von Schottland und England wurde dieWhiskysteuer, die seit 1655 mehr oder weniger theoretischexistiert hatte, tatsächlich eingetrieben. Die königlichenSteuerbeamten verlangten nicht nur Abgaben auf etwas, das denFarmern so natürlich erschien wie die Jahreszeiten selber,sondern sie taten es im Namen Englands! Man griff zu den Waffen.

Die unerlaubte Brennerei in den lothianischen Grafschaftenging munter weiter. Siebzig Jahre nach Einführung der Steuer,1777, gab es nur noch acht reguläre Destillerien im nahenEdinburgh. Dafür wurden vierhundert illegale entdeckt.

Photo1837 erhielten zwei ortsansässige Bauern,die Brüder George und John Rate, die Erlaubnis, eine Brennereizu betreiben. Gemäß der Überlieferung hatten sie in der Gegendschon seit 1825 eine Brennerei namens Milton besessen, ja,möglicherweise handelt es sich bei Glenkinchie um den gleichenBetrieb unter einem neuen Namen.

Glenkinchies wirtschaftliche Unabhängigkeit war exemplarisch.Die Brüder bauten die Gerste an und mälzten sie. Sie bezogenihr Wasser aus dem Kinchie Burn (Kinchie ist eine Verballhornungdes Normannischen Namens Quincey; das umliegende Land hatte einsteiner Familie dieses Namens gehört) und machten damit dieMaische für den MalzWhisky. Rinder und Pferde gediehen prächtigmit den Rückständen.

Die Beziehung zwischen Destillerie und dem Land um Glenkinchiebesteht fort, wenn sie auch heute am seidenen Faden hängt. Der85-acre Hof ist noch da, aber verpachtet, wurde allerdings vieleJahre lang von Brennereileiter W.J. McPherson selbstbewirtschaftet, wodurch Glenkinchie für seine AberdeenAngus-Rinder berühmt wurde.

Die mächtigen Clydesdale Kaltblüter sind längstverschwunden, doch Hector MacDonald, einer der Betreiber derBrennerei, hat in seiner Jugend noch mit den Pferden gearbeitet,wie sein Bruder und Vater vor ihm. Aufgabe der Zugpferde war es,die Whiskyfässer zur etwa eine Meile entfernten SaltournBahnstation zu bringen, wobei die schweren Wagen über die kleineBuckelbrücke ratterten, die noch heute sofort auffällt. Zurückkamen sie schwer beladen mit Gerste oder Kohle für die Öfen. DaMacDonald glaubte, daß sie für das Stadtleben geeignet waren,kamen die Zugpferde schließlich nach Glasgow, zu den BuchananZollspeichern. Aber ihre Sommerferien verbrachten sie weiterhinauf den grünen Weiden von Glenkinchie.

Die Fässer werden heute per Lastwagen zum Ort ihrer Reifungin einer großen, modernen Anlage in Alloa transportiert. Diedrei Glenkinchie Lagerhäuser sind voll. Die gemälzte Gerstekommt ebenfalls per Lastwagen, aus Roseisle in Morayshire, undist bereits gemäß der leicht torfigen "Rezeptur" derBrennerei vorbereitet.

Hector MacDonald (ein Brenner, der sein Leben lang nie einenTropfen Whisky angerührt hat) erinnert sich daran, daß er einenBlechbecher mit zur Schule nahm, mit dem er die reine gemälzteGerste vom Boden der Mälztenne abschöpfte... und lächelt nochheute zufrieden bei dieser Erinnerung. Die Mälzerei wurde 1968geschlossen und die Malztenne wurde in ein Museum umgewandelt -das einzige Museum für Malzwhiskyherstellung in der Welt und dasWerk des damaligen Leiters, Alistair Munro.

Die Schließung der Malztenne führte ihm vor Augen, mitwelchem Tempo die Umwälzungen in der Branche vor sich gingen,und er beschloß, Zeugnisse und Gerätschaften für die Zukunftzu bewahren. In diesem Jahr sollte übrigens das große, neueBesucherzentrum eröffnet werden.

Die ganze Atmosphäre in Glenkinchie ist sehr viktorianisch.1890 übernahm es das Edinburgh-Konsortium von den GebrüdernRate und überholte die Brennerei völlig, wobei sie à la"Bourneville" eine Arbeitersiedlung erhielt, welche mitfrischen Lebensmitteln vom Hof versorgt wurde. Später, in den20er Jahren, legten die Arbeiter einen Rasen für dasBowling-Spiel an, der noch heute gut unterhalten ist. Nur eineHandvoll der Häuschen befindet sich noch im Besitz derBrennerei, wenn auch einige Familien ihre Häuser gekauft habenund dort geblieben sind.

PhotoIm Jahre 1972 wurde das Brennhaus wiederaufgebaut und die Destillierkolben wurden auf Heizschlangenumgerüstet. 1995 wurde ein neues Maischehaus gebaut. Doch dasalles ist mit sanfter Hand geschehen. Die sechs hölzernenGärkessel sind erhalten geblieben: zwei aus Oregon-Fichte undvier aus kanadischer Lärche. Es gibt noch zwei Kupferkessel fürdie Destillation; die erste Brennblase, der "wash still",mit seinem Fassungsvermögen von 32 000 Litern ist einer dergrößten der Branche. Gemeinsam mit der zweiten Brennblase, dem"spirit still", hat er eine traditionelleKühlschlange, deren Windungen sich über zwei Stockwerkeerstrecken.

Eines bleibt sich immer gleich: das Wasser, das aus demKinchie Burn bezogen wird. Diamantklar und diamanthart steigt esin den Lammermuir Hügeln aus dem Boden, wobei es über dickeKalkablagerungen läuft. Dieser Kalk macht Glenkinchie zumtrockensten aller Lowland Malts.

Gillian Strickland


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