Nicht alle Inselwhiskys blasen einem Torf undSeetang ins Gesicht. Anthony Troon sieht ein ungewöhnlichesVollblut leichtfüßig aus den Brennblasen auf Jura steigen.
Wenn literarisch gebildete Leute an dieIsle of Jura denken, ist ihr erster Gedanke gewöhnlich GeorgeOrwell und "1984". Orwell stellte diesen futuristischenRoman 1948 fertig, als er auf der Insel in einem Bauernhaus inBarnhill lebte. Aber im Laufe der Zeit hat sich vielesverändert.
Einerseits ist das Jahr des Romans inzwischen Vergangenheit,und die erschreckende Phantasie von Eric Blair (alias G. Orwell)erscheint uns heute wenig übertrieben. Die ominöse Allgegenwartvon Big Brother und zynischeGedankenmanipulationen sind uns heute kaum mehr fremd.
Die andere Veränderung ist, daß die Brennerei der Isle ofJura ihren Betrieb wieder aufgenommen hat. Man glaubt, daß sie1810 gegründet und 60 Jahre später renoviert wurde, aber imersten Weltkrieg wurde sie stillgelegt. Nach einem weiteren Umbaubegann man 1963 wieder mit der Whiskyproduktion. Daher war sienichts als ein armseliges, unproduktives Wrack in dergroßartigen Hebridenlandschaft, als Eric ein paar Meilen weiteran der Küste seine Schreibmaschine bearbeitete.
Hier stellt sich die große Frage: wären seine Voraussagenfür "1984" wohl etwas weniger pessimistisch gewesen,wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, in der Nähe einen gutenWhisky zu finden? Puristischen Literaten mag die Frage trivialerscheinen, Whiskyliebhabern vielleicht nicht.
Eine faszinierende Eigenschaft des Jura-Whiskys ist, daß ernur eine kurze Schwimmstrecke von der Insel Islay entferntproduziert wird, und sich doch deutlich von seinen siebenNachbarn unterscheidet. Erfahrene Schmecker werden eine Spur Salzin ihm entdecken, doch keinen scharfen Seetanggeschmack, wie er -in verschiedenem Ausmaß - in den Islay-Malts zu finden ist.
Der Brennereileiter, Willie Tait, betont, daß bei der Reifungkeinerlei Versuch unternommen wird, dem Jura-Malt ein besonderesAroma zu geben. Weniger als ein Zehntel des abgefüllten Produktsstammt aus Sherryfässern, der Rest aus wiedergefülltenschottischen Whiskyfässern, aus denen das Vanillearoma derursprünglichen Bourbonfüllung weitgehend verschwunden ist."Wir haben herausgefunden," sagt er, "das so derCharakter unseres Whiskys ohne unnötige Verstärkung gutherauskommt."
Woher hat nun dieser Inselwhisky aus demStall Invergordon diese wunderbare Sanftheit? Weiches Wasser auseiner Quellle namens Bhaille Mharghaidh wird für die Maischeverwendet. Es ist über Gestein geflossen und enthält nur wenigeSpuren von Torf.
Die gemälzte Gerste, die erstaunlicherweise zum Teil vonIslay kommt, ist nur leicht getorft. Die Stärke wird genau auf 2ppm Phenole eingestellt im Vergleich zu über 50 ppm bei sostarken Malts wie Ardbeg oder Lagavulin, die praktisch vongegenüber stammen.
Jura hat zwei Brennblasenpaare. Die Wash und SpiritStills sind unter den höchsten der Branche. Ihre Höheträgt zu einem leichten, reinen Destillat bei. Was ungewöhnlichist: es besteht ein kleiner, aber sichtbarer Größenunterschiedzwischen den Wash und Sprit Stills, die inihrem Inneren von dampfgefüllten Kupferschlangen geheizt werden.
Willie Tait, der den für Brennereileiter typischen,unermüdlichen Enthusiasmus für seine Arbeit hat (plus dieGeduld, jede Einzelheit zu erklären), weist uns darauf hin, daßwenn der Tank 48 000 Liter Wash enthält, diese Mengeauf das erste Paar Brennblasen verteilt wird. Die Flüssigkeiterreicht die Kante der großen Türe, die für die Inspektion undReinigung geöffnet werden kann.
Wenn der Dampf in die Heizschlangen gelangt und der Washkocht, steigt die Flüssigkeit schnell bis in den Hals derBrennblase. "An diesem Punkt müssen wir Dampf ablassen. Mannennt das, die Brennblase abbremsen." Der Ausdruck gefälltmir, er erinnert an Dampflokomotiven.
Dann läßt man die Hitze langsamsteigen, bis es in der Brennblase köchelt. In diesem Zustandbleibt sie etwa acht Stunden lang, bis der Hydrometer anzeigt,daß das Destillat keinen Alkohol mehr enthält.
Bei der zweiten Destillation in den kleineren SpiritStills wird noch behutsamer vorgegangen. Diese Brennblasenlaufen elf Stunden, aber produzieren den wertvollen "middlecut" nur etwa während einem Drittel dieser Zeit. Injeder Brennblase sind zwei Dampfschlangen. Während der middlecut ausläuft, wird eine der beiden Heizschlangenabgestellt, damit der junge Jura ganz langsam und sanft zur Weltkommt.
Neugeboren enthält er etwa 70 Volumenprozente Alkohol. Daswird mit Wasser aus der Mutterquelle auf 63.5 Prozent reduziert.Von da an wird der Whisky nur in Gefäßen aus Eichenholzaufbewahrt, bis er in Fässer gefüllt wird.
Es gibt noch viel zu lernen in der Jura Distillery, aber ichhabe mich auf die Destillation konzentriert, weil sie denentscheidenden Einfluß auf diesen unverwechselbaren Insel-Malthat. Es gäbe da noch die originalen Lagerhäuser für dieWhiskyreifung mit Naturböden, die Dachbalken aus dem Jahr 1810haben, und in denen heute Fässer repariert werden. Des weiterendas CIP Reinigungssystem für die Maischbottiche und Washbacks,das bei seiner Einführung einzigartig war. Außerdem dasGleichgewicht zwischen Kultur- und Bierhefe, die der langenGärung zu einem schnellen Start verhilft.
Und dann gibt es da natürlich noch die konkurrenzlos schönenBlicke von Jura. George Orwell hat sie sicher gekannt. Aber ichbin sicher, er würde bedauern, den Rest verpaßt zu haben
Wenn Sie etwas zu dieser Sitesagen möchten, kontaktieren Sie bitte den