An der Südküste von Islay befindet sich eineHand voll Häuser, die den Namen "Lagganmhoullin"tragen. Das Wort ist Gälisch und bedeutet so viel wie "dieMühle in der Mulde", was etwas irreführend ist, angesichtsdieses wilden und sehr windigen, rauhen Orts an IslaysSüdküste, ausgewaschen und gepeitscht von den hiervorherrschenden Südwestern, die ungebremst aus den Weiten desAtlantiks auf die Küste prallen und ihre Wut austoben. AlfredBarnard hat die Umgebung von Lagavulin anläßlich eines Besuchsim Jahre 1885 wie folgt beschrieben: "Das Werk befindet sicham Zipfel einer winzigen Bucht, um die herum absonderlichgeformte Felsen aus dem Meer steigen; an manchen Stellen sind dielosgebrochenen Massen derart übereinandergestürzt, daß sie wiemerkwürdige Seeungeheuer aus dem Meer ragen."
Im Jahre 1156 wurde vor der Westküstevon Islay eine große Seeschlacht geschlagen. Somerled, der zumersten Herrn der Inseln wurde, gewann die Oberhand über Godredof Man und die Lagavulin-Bucht war der sichere Hafen, den er nachseinem Sieg aufsuchte. Zwei Generationen später erbauteSomerleds Enkel, Donald I, zum Schutz seiner Flotte DunyvaigCastle, dessen Überreste heute über die Brennerei wachen.Ebenfalls von hier aus setzten im Jahr 1314 1800 Ilich(Inselmänner), Gefolgsleute von Angus Og, dem damaligen Herr derInseln, Segel, um Bruce bei Bannockburn zu Hilfe zu eilen.
Nach den Unionsgesetzen unterstanden Islay und Jura dank derLoyalität der Campbells zur Krone und aufgrund der großenEntfernung der Inseln von Edinburgh von 1707 bis 1823 nicht derHoheit der Steuerbehörde. Die Grundherren erhielten das Recht,Steuern auf ihrem Land einzutreiben - und das gesamte Geld zubehalten. Das hatte zur Folge, daß nur zu seltenen GelegenheitenSteuern erhoben wurden.
In der Folge blühte die Brennerei auf Islay; im Jahre 1742gab es insgesamt 10 Brennereibetriebe rund um Lagavulin Bay.Gegen Ende des 18. Jahrhunderts schlossen sich diese zu derheutigen Großbrennerei zusammen.
Enge Bande verknüpfen das Schicksal von Islays Brennerei mitdem Reich des Poseidon. Die Gerste wird per Schiff gebracht undauch das fertige Erzeugnis verläßt die Insel auf dem Seeweg.Lagavulin hatte einst sein eigenes Dampfschiff, die S.S. Pibroch,die von 1924 bis 1956 zwischen Glasgow und Islay verkehrte. Dieweißgewaschenen Wände der Brennerei an der Uferlinie werdenregelmäßig von den Brechern umspült, die durch dieZiegelmauern und Fenster dringen und auf den irdenen Böden derLagerhäuser Salzwasserpfützen bilden. Der um Lagavulingestochene Torf hat einen hohen Moosgehalt und saugt sich vollmit dem Geschmack des Meerwassers, während die Luft angefülltist mit seinem Duft und dem Geschrei der Vögel.
Die Verwendung von Torf alsBrennmaterial ist weitverbreitet in den nordwestlichen Highlandsund Inseln von Schottland, und zwar ganz besonders auf Islay, woes kein anderes natürlich vorkommendes Brennmaterial für dieDarrung gibt. Da höchstwahrscheinlich noch im letztenJahrhundert die Maische ausschließlich mit Torf gedarrt wurde,schmeckte der in Lagavulin erzeugte Whisky damals wohl nochrauchiger als heute.
Lagavulin betreibt längst keine eigene Malztenne mehr,sondern darrt statt dessen bei United Distillers in Port Ellen.Dort wird die Maische nach Lagavulins eigenem "Rezept"hergestellt: auf eine bestimmte Zeit der Gastrocknung folgt einegenau festgelegte Trocknungszeit mit dem Torf von der Insel. Diecomputergesteuerte Trommeltrocknung erlaubt einen hohenPräzisionsgrad und stellt sicher, daß jedes Mal der gleicheGrad von Phenolabsorption erreicht wird. Dadurch erhält derBrenner einen zuverlässigeren Malz.
Auch das Wasser auf der Insel ist torfhaltig. Es hat die Farbevon Whisky, und ahnungslose Touristen beschweren sich über das"schmutzige" Badewasser. Das Wasser in Lagavulin istkeine Ausnahme, kommt es doch vom nahen Lochan Sholum, etwa 200 müber dem Meeresspiegel. Dies weiche Wasser fließt etwa sechsKilometer die Hänge hinunter, durch den Torf, zur Brennerei.
Die Fässer, in denen der Whisky in Lagavulin altert, stehenin ständigem Luftaustausch mit ihrer Umgebung, so daß das edleGetränk an Alkohol und Menge einbüßt, indem es reifer undweicher wird. Der Hohlraum im Faß ist angefüllt mit des Aromendes Whiskys, nimmt aber auch die Gerüche aus der Umgebung derFässer an. Im Fall von Lagavulin dringen die Aromen von Tang,Fisch, Ozon und die belebende Seeluft von Lagavulin in dieFässer. Das Getränk wiederum nimmt Spuren dieser Einflüsseauf.
Produktionsleiter derBrennerei ist Donnie MacKinnon, ein ehemaliger Rugbyspieler fürdas Islayer Rugbyteam, dessen dichter Bart ihn vor denSüdwestern schützt. Als Inselmann vom alten Schlag hat er inden vergangenen 34 Jahren fast jede erdenkliche Tätigkeit inLagavulin ausgeübt (unter anderem war er nach der Schule eineWeile lang Küchenjunge auf der Caledonian-MacBrayne-Fähre, diezwischen dem Festland und Islay verkehrt) und hat dieVeränderungen der Branche sowie den Verlust von Arbeitsplätzenmiterlebt. Von manchem "Fortschritt" spricht er mitBedauern, betont aber, daß die "Qualitätskontrolle besserdenn je" sei.
Donnies ungewöhnliche Brennblasen zeichnen sich dadurch aus,daß sie stark an eine völlig runde Zwiebel erinnern, vomzwiebelförmigen Unterteil bis zu ihrem hohen Scheitelpunkt. Derin ihnen erzeugte Alkohol ist schon als "gälische Hymne zumLobe des Torfes" beschrieben worden. Der Lagavulin ist immerunter den größten, schwersten Malts, wobei der Torfgeruch imjungen Whisky an verbrannten Mahagoni erinnert und mitzunehmendem Alter das Aroma von verbrannten Heidewurzelndurchkommt. Der Einfluß des Meeres verbirgt sich diskret unterdem Torfaroma; nur ein leichter Salzgeschmack auf den Lippen undein wenig Restsüße erinnern an die See, was weiter herauskommt,wenn er in einem alten Sherryfaß altert.
John Lamond
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