Der erste Anblick von Oban ist spektakulär, wie auch immerman sich dem Städtchen nähert. Von Norden senkt sich die A85durch eine Spalte in der Hügelkette, und wenn man sich auf ihrhinunterwindet, breitet sich unten nach und nach das Städtchenmit seiner Bucht aus. Mit dem Zug ist es nicht wenigerdramatisch, denn die Eisenbahn mündet direkt aus einem Tunnel indie Stadtmitte, und die Züge halten einige Schritte vom Meer.Aber die beste Art, sich Oban zu nähern, ist auf dem Wasser,über die Kerrera Sound, oder, von Norden, an Dunollie Castlevorbei. Dann erscheint die Stadt wie ein Halbkreis; einAmphitheater, dessen Terrassen Straßenzüge von grauenviktorianischen Villen bilden, die sich gegen eine Klippeanlehnen, überragt von einem Gebäude, das, wie unwahrscheinliches auch klingen mag, am ehesten einem kleinen Kolosseum gleicht.
Man muss sich die Grösse Obans, Haupthandelszentrum derwestlichen Highlands, vergegenwärtigen. Von MacCaig's Folly (demkolosseumartigen Bauwerk) stürzt sich die Klippe etwa 20 Meterhinunter, und geradlinig vom Fuß der Klippe zum Wasser laufendbraucht man höchstens drei Minuten. Zwischen Klippe und Strandbefinden sich ein Seewall, eine Straße, einige Geschäfte undeine Destillerie.
Die Destillerie umfaßt eine Reihe speicherartiger Gebäude,die von einem eisenumfaßten Kamin überragt werden. Die Gebäudesind aus grauem Granit, wie die Villen, und sie unterliegenebenfalls der lokalen Besessenheit mit der architektonischenForm, denn die Fenster- und Türrahmen sind angestrichen, wie umihre Funktion zu untermalen. Der Kamin ist aus rotem Backsteinund außerdem rot angestrichen.
Es ist eine wirtschaftlich und geographisch urbaneDestillerie. Wenn die Bucht eine Lampe wäre, wäre dieDestillerie die Lichtquelle und würde die Insel Kerrerabeleuchten. Vor etwa zwei Jahrhunderten wurden die Destillerieund die Stadt von den Stevensons gegründet, einerUnternehmerfamilie mit überraschend viel Ehrgeiz und Energie.Die heutigen Büroräumlichkeiten sind in der ehemaligen Residenzder Familie untergebracht. Die Destillerie ist eine der größtenArbeitgeber der Stadt, und die Belegschaft gehört zurAristokratie der lokalen Arbeiterschaft.
Das Wasser für den Whisky kommt aus einem Loch in den Hügelnhinter der Stadt. Der Name des Lochs ist einfach auszusprechen,aber nach wahrer gälisch-orthographischer Tradition praktischunmöglich zu schreiben. Die gemälzte Gerste, die leicht torfigist, wird nicht vor Ort hergestellt, sondern im Lastwagen auseinem zentralem Malzwerk angeliefert. Sie wird in einerstählernen Maischtonne eingeweicht und in vier hölzernen Washbacksgegärt: die Washbacks werden wie die Fässer von einemKüfer hergestellt, und verlassen sich in puncto Dichtigkeit nurauf das Zusammenpassen von Daube mit Daube. Die Dauben sind sechsMeter lang.
Die eigentliche Brennerei ist sehr klein; zwei Brennblasen(die wash still und die spirit still) arbeitenin gemütlichem Tempo an einem wohlausgeglichenDestillationsprozess. Beide Brennblasen haben einen Schwanenhals,und der spirit still hat immer noch ein Rohr, das sichin einem seltsamen Winkel krümmt, wenn es durch die Mauer zum wormcondenser geht - das gar kein Wurm ist, sondern eine Serievon Kupferrohren, die einem Stahltank der Länge nach hin- undherlaufen. Sie sehen auch nicht wie ein Wurm aus, aber sie tundessen Arbeit. Ian Williams, der Manager und Brenner, erklärt,daß das gebogene Rohr und der gestreckte Wurm nur zwei derindividuellen Züge sind, deren kombinierter Einfluß ein höchsteigenständiges Destillat erzeugt.
Nicht zuletzt unter diesen Einflüssen steht Ianselbst. Er stammt aus Aberdeen, und arbeitet im Whiskygeschäftpraktisch seitdem er die Schule verlassen hat. Er ist seit 1983in Oban Manager. Zwei Dinge fallen sofort auf: seine völligeHingabe an die Brennerei und sein Vertrauen in das Unternehmen.Letzteres ist völlig angebracht, denn Ian findet auf denhöheren Führungsetagen der Firma willige Unterstützung fürseine Überzeugung, daß jede Eigenwilligkeit der Brennereierhalten bleiben soll, trotz der Kosten, die das verursachen mag.
Das ist erwähnenswert, denn große Destilleriegruppen greifenoft zu Maßnahmen, die typisch für die kurzfristige Sichtweisegroßer Teile der britischen Industrie scheinen. Tatsächlich hatdie Whiskyindustrie immer eine langfristige Perspektive: dashaftet einem Produkt, das zehn Jahre von Produktion bis Verkaufbraucht, naturgemäß an. Es ist trotzdem befriedigend, berichtenzu können, daß United Distillers, die Eigentümer der ObanDestillerie, sich sehr wohl bewußt sind, daß dieEinzigartigkeit der Destillerie maßgebend ist für den Charakterdes Malzes, und daß sie gewillt sind, den Gewinn zugunsten derlangfristigen Interessen Qualität und Identität zu opfern.
Das ist eine Einstellung, die Tradition wie Innovationunterstützt. Als die Maischanlage neu gebaut werden mußte,verlangte Ian, daß sie traditionell bleibe: keine Automation,kein Computer, nur die Aufmerksamkeit eines gewissenhaftenMaischmanns. Dies wurde so gemacht. Andererseits, als erversuchte, auf den wachsenden Wunsch nach Besichtigungen derBrennerei einzugehen, konnte er das alte Abfüllgebäude in einerfolgreiches Besucherzentrum umwandeln. Das Gemälde mit Fischessenden Höhlenbewohnern ist zwar eine nützliche Darstellungder verbesserten Tischmanieren seit dem späten Mesolithikum,aber etwas zu viel des Guten bei einer Whiskyführung. Abgesehendavon ist das ganze schön gemacht und sehr beliebt.
Auch der Whisky ist beliebt, und dies aus gutemGrund, denn er ist gut. Er wird vierzehn Jahre in Sherryholz(Nachfüllungen) gelagert. Das Ergebnis ist ein exzellentesTröpfchen mit viel Charakter. Die einzige Beschwerde, von derSociety aus gesehen, sind die Fässer. Diese werden von derBöttcherei der Muttergesellschaft geliefert. Sie werdensorgfältig ausgesucht, um ein gleichmäßige Reifung hoherQualität zu erreichen - aber ihre Gleichmäßigkeit läßt wenigSpielraum für die Art der Abwechslung, die wir in der Societyauszunutzen wissen. Ian Williams hegt keine Zweifel: Dies ist diebeste Art Faß für die Reifung seines Destillats. Es wärekleinlich, da zu meckern.
Während Ian in Dingen, die mit seiner Brennerei zu tun haben,sehr bestimmt ist, ist er in anderer Beziehung völligbescheiden. Es ist dies eine ansprechende Eigenschaft, die sicherEinfluß hat auf seine Beliebtheit als Markenbotschafter fürUnited Distillers im Ausland. Ein schottischer Brennereimanagerist ein authentischer Artikel und wird in den USA oder Japan alsExotikum betrachtet. Deshalb ist Ian sehr beliebt. Es ist nichtungewöhnlich, daß eine solche Berühmtheit zu Kopfe steigt, undich freue mich, berichten zu können, daß Ian Williamsgrößtenteils dagegen immun zu sein scheint. Er rationiert seineÜberseebesuche streng, mit dem Argument, daß sein Wert undseine Authentizität genau darin lägen, daß er der Manager derOban Destillerie sei. Und das könne er nicht behaupten, wenn erständig im Ausland unterwegs sei.
Phillip Hills
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