Wenn man im Büro der Taliskerbrennerei in Carbostsitzt und zusieht, wie die Sonne langsam über die steile Küstevon Loch Harport wandert, errät man unschwer die raisond'être dieser Brennerei. Denn auf ihrem Weg zeichnet dieSonne die Furchen der Kartoffelfelder nach, die fast die gesamteLänge dieser scheinbar lebensfeindlichen Bucht säumen. Und wennman von Carbost auf die Hauptstraße von Glendrynoch gelangt,eilt die Spätnachmittagssonne über weitere Streifen vonintensiv bewirtschaftetem Land auf der gegenüberliegenden Seitedes Loch. Diese Überreste einer blühenden, wenn auch harterkämpften Landwirtschaft sind beredte Zeugen für das Vorgehendes Mannes, der die Talisker-Destillerie gegründet hat. Siesprechen von der Arbeit all jener und ihrer Familien, die Opfervon Hugh MacAskill und der unbarmherzigen wirtschaftlichen undsozialen Kräfte wurden, die seinen Ehrgeiz, ebenso wie denvieler anderer in der ersten Hälfte des neunzehntenJahrhunderts, antrieben.
Gehen wir denselben Weg zurück. Fahren wir zurück nachCarbost, doch oben, an der steilen, engen Straße, die hinunterins Dorf führt, biegen wir nach links ab und fahren an denWasserfällen des Carbost Burn vorbei. Es scheint schlichtunmöglich, daß dieser starke Fluß, der das Kühlwasser fürdie Kühlschlangen im Destillierhaus von Talisker liefert, jeaustrocknet; aber wie Betriebsleiter Mike Copeland jeden Sommerfeststellen muß, es kommt vor. Typisches Skye-Wetter ist, wiedie Menschen dort, eher Glücksache.
Wenn man der steilen Straße durch Gleann Oraid folgt, rauschtder Talisker River erst auf der Rechten, dann auf der Linken imsteil abfallenden Flußbett, um über die schroffen Klippen derTalisker Bay ins Meer zu stürzen. Und hier, in fastatemberaubender Einsamkeit, steht das Talisker House, dessenzeitlose Stille im Kontrast steht zu der unerschöpflichenEnergie des Wassers, das hier vorbeirauscht, zu der Wildheit dernahen Berge und der Skrupellosigkeit gewisser Bewohner,vornehmlich der von Brennereigründer Hugh MacAskill.
Der Gerechtigkeit halber muß gesagt werden, daß HughMacAskill nicht der erste war, der das Land in Talisker räumenließ. Donald Macleod hatte im Jahre 1818 das Land an einenLauchland MacLean verpachtet und es war damals, daß man damitanfing, die Menschen vom größten Teil des Landes zu vertreibenund sie durch mehr Gewinn versprechende Schafe zu ersetzen.MacAskill hat dann lediglich das Werk vollendet, nachdem er 1825den Talisker-Besitz übernommen hatte. Die Brennerei hatte inseiner Strategie eine Schlüsselfunktion. Sie bot jenen, die aufdem Land verblieben waren, Arbeit. Gleichzeitig schuf sie einenMarkt für die Gerste, die noch auf den immer knapperen Flächenproduziert wurde, die für den Ackerbau reserviert waren. DieDestillerie wurde 1830 in Carbost erbaut, einer der Gemeinden anden Ufern von Loch Harport, die weitgehend von ansässigenFamilien geräumt worden waren. Ein ehemaliger Gemeindepfarrersprach von "dem schlimmsten Fluch, der im Lauf der Vorsehungdiesen oder einen anderen Ort hätte befallen können".
Fluch oder verflucht? Es erscheint in der Tat, daß weder dieBrennerei, noch das Gut Talisker MacAskills Erwartungenentsprachen. 1840 erbte er Besitzungen auf Mull, darunter CalfaryCastle, auf das sich ein großer Teil seiner Anstrengungenkonzentrieren sollte. Trotz des eleganten, angenehmen Lebens inTalisker House zog Hugh MacAskill mit seiner Familie 1846 nachRudha an Dunain im nahen Braccadale. Drei Jahre später kündigteer den Pachtvertrag für das Taliskerland. 1848 gab er dieDestillerie auf, die er zusammen mit seinem Bruder, Kenneth undeinem Braumeister, Archibald Sinclair, geleitet hatte. DerPachtvertrag für Brennerei und Land wurde von den MacAskills aufdie North of Scotland Bank übertragen. Die Gesamtleitung ging anderen Leiter Jack Westland. Sinclair blieb Braumeister bis zuseinem Tod in den späten 1860er Jahren. Das läßt daraufschließen, daß die Brüder sich in finanziellen Schwierigkeitbefanden. Als Kenneth MacAskill 1854 starb, war er offensichtlichder einzige Partner des Unternehmens und hinterließ Handelswareund Brennereizubehör im Gesamtwert von £ 1374 und Buchschuldenvon £ 259. Als Hugh MacAskill 1863 starb, hinterließ ererstaunlich wenig (£ 2713) und hatte keinen Anteil mehr an derDestillerie.
1857 kaufte Donald MacLellan (auch MacLennan) die Brennereifür £ 500 von der North of Scotland Bank. Er bezeichnete sichselber als Landwirt aus Vatersay, Barra. Er hatte Normana JohannaMcLeod Tolmie geheiratet, eine Tochter von Hugh MacAskill.MacLellan steckte £ 600 in die Renovation des Brennereigebäudesund seiner Einrichtungen. (Möglicherweise hatte die Brennereiseit Kenneth MacAskills Tod 1954 stillgestanden.) 1859 übernahmer einen 31-jährigen Pachtvertrag für das zur Brennereigehörige Land. Trotz schwerwiegender Kapitalprobleme, die vorallem auf ständige, teure (und letztlich erfolglose)Rechtsstreitigkeiten um den Barra-Besitz gingen, begann er zurErntezeit 1860 zu destillieren. Das Ergebnis war "einschwerer Verlust, der sich in meinen Büchern zeigen wird und denich in erster Linie darauf zurückführe, daß mein Mangel anGeldmitteln es mir nicht erlaubt, die Brennerei laufend inBetrieb zu halten...". Er sah sich gezwungen, eine großeMenge Whisky über einen Mittelsmann in Glasgow zu einem Preis zuverkaufen, der weit unter dem lag, was durch direkten Verkauf zuerzielen war. Er hatte auch seit 1857 für die Lohnkostenderjenigen aufzukommen, "die sich um die Destilleriekümmerten". Am 5. November 1863, nachdem die Brennerei nurmit großen Unterbrüchen in Betrieb gewesen war, wurde MacLellanunter Zwangsverwaltung gestellt. Die Brennerei wurde durchMacLellans Konkursverwalter erst für £ 700, später, im April1864, für £ 500 zum Verkauf angeboten.
Es scheint, daß die Konkursverwalter MacLellan nachdem Konkurs noch eine Weile als Betreiber der Brennereibeschäftigten. 1865 beauftragte MacLellan John Anderson("ein bärbeißiger Herr") als Handelsvertreter inGlasgow. Im folgenden Jahr übernahm Anderson die Pacht für dieBrennerei und kaufte sie im Jahr 1867. Sie befand sich in einemerbärmlichen Zustand: "die ganze Anlage ist verfallen unddie Geräte unbrauchbar". Anderson machte sich daran, dieGebäude zu renovieren ("ich glaube, ich habe £ 5300 fürdie Erweiterung der Brennerei und die Anschaffung neuer Geräteausgegeben"). Er gab auch viel Geld für den Rückkauf vonTalisker-Beständen auf dem privaten Markt aus. "Das Geldwurde ausgegeben, um den Betrieb zu dem zu machen, was er heuteist; indem ich diesen alten Whisky auftrieb, machte ich den NamenTalisker im Spirituosenhan-del bekannt". Talisker erzieltetatsächlich Höchstpreise damals, "kein Gläschen"wurde auf der Insel getrunken, weil er "zu teuer" war.
Andersons Optimismus verschleierte die Tatsache, daß dieAusgaben immer sein Einkommen überstiegen. Spekulationen beimKauf englischer Gerste ("weil in den letzten paar Jahren dieGerste schlecht war, und 1877 und 1878 besonders schlecht"),führten zu weiteren Verlusten, die Anderson auszugleichensuchte, indem er neue Whiskybestände als Gegenleistung fürSchulden benutzte. Nachdem er den Jahresausstoss der Brennereivon 20 000 Gallonen auf 30 000 Gallonen erhöht hatte, vertrauteer darauf, seinen Schulden durch den Verkauf neuen Whiskys aufdem Markt tilgen zu können. "Es gibt keinen Whisky",erklärte er, "der auf dem Markt einen besseren Ruf genießtoder der einen besseren Preis erzielt als der TaliskerWhisky".
Trotz allem ging es weiter bergab. Es wurden Schecks ohnegenügende Deckung ausgestellt. Firmen erhielten Rechnungen fürWhisky, den sie nie erhalten hatten und der nie hergestelltworden war. Andersons Fähigkeit, den Überblick über seineGeschäfte und die Machenschaften seines Angestellten (der sichspäter aus dem Staub machte) zu bewahren, war durch eineAugenkrankheit eingeschränkt: "Ich möchte anmerken,"sagte er seinen Konkursverwaltern, "daß ich nicht in dieBücher sehen kann, weil ich so blind bin." Als er imFebruar 1879 bankrott ging, bezifferte Anderson den Wert derBrennerei optimistisch auf £ 6500; die Konkursverwalterschätzten den Wert auf lediglich £ 2500.
Angesichts eines von MacAskills Hauptmotiven für dieGründung der Destillerie mutet es ironisch an, daß einGroßteil von Andersons Schulden zugunsten von Kornhändlern war.In weniger als fünfzig Jahren war die Brennerei ihrer raisond'être entwachsen und konnte von da an nur noch aufgrundder Qualität ihrer Erzeugnisse überleben. Eine umsichtigereFührung, zuerst unter Alexander Grigor, einem geachteten Brenneraus Speyside, der in Australien, Neuseeland, Ceylon undSüdafrika Märkte für Talisker erschloß, und später unter demambitionierten Thomas MacKenzie, dessen Daluiane-TaliskerDistilleries der Distillers Company die Stirn zu bieten suchten,schufen eine solide wirtschaftliche Grundlage für Talisker.
In der Folge wurde Talisker zu Anfang des Jahrhunderts zummarktbeherrschenden Single Whisky in England, was sowohl ausArchivmaterial, als auch daraus hervorgeht, daß immer nochantike Talisker-Abfüllungen auf Whiskyauktionen auftauchen. SeinRuf eilt ihm voraus, und wenige echte Malzwhiskykenner möchtenauf eine Flasche Talisker in ihrer Hausbar verzichten. Aber wemverdanken wir eigentlich diesen wunderbaren Skye-Whisky, dessenkräftiges Aroma und pfefferiger Geschmack in einmaliger Weisedas Wesen seines Ursprungsorts verkörpern? Den derzeitigenBesitzern der Brennerei? Oder Mike Copeland, dem Brennereileiterund entschlossenen Hüter ihres Erbes? MacKenzie, Grigor,Anderson, MacLennan et al., Hugh MacAskill und seinem Bruder?Oder den Hunderten von Seelen, die sich auf den Böden ihrerVorfahren abmühten, um im neunzehnten Jahrhundert ein mageresLeben zu fristen, und von deren Anstrengungen die Landschaftimmer noch beredtes Zeugnis spricht? Am besten, Sie besuchen Skyeund entscheiden selbst.
Dr. Nicholas Morgan
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