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Die Geschichte Hiram Walkers und des Kanadischen WhiskysAls Hiram Walker 1884 Canadian Club herausbrachte, war das der Anfang eines nationalen Whiskystils. Wegen des eigentümlichen Produktionsverfahrens, das später alle Brenner im Land übernahmen, gelang beim Canadian Club etwas Besonderes. In ihm wurde das volle Flavour nordamerikanischer Whiskys -besonders die Fruchtigkeit- mit einem viel saubereren und leichteren, vielleicht herberen Geschmack verquickt, als zu der damaligen Zeit üblich war. Diese Merkmale verbindet man seither mit kanadischen Whiskys. Der Stil entstammte dem stets von allen Whiskyherstellern gehegten Wunsch, die von Fuselölen verliehene Härte etwas zu beseitigen, ohne jedoch den Geschmack ganz zu opfern. Zum Brennen am günstigsten erhältlich waren damals in Kanada Weizen und Roggen. Diese Getreide erzeugen Whisky mit hohem Fuselölgehalt. Um diese zu beseitigen, praktizierte man in Nordamerika eine zweifache Destillation, Holzkohlefiltration und jahrelange Lagerung. Hiram Walker entwickelte ein anderes Verfahren. Ein ungewöhnlich langer und intensiver Destillationsprozess sollte einen möglichst reinen Grundwhisky erzeugen, den er dann mit neutralem Spirit blendete. Andere Brenner arbeiteten damals sicher auch an einer Verbesserung der Rektifikations- und Blendingtechnik, aber Hiram Walker war in der Wissenschaft und Kunst des Vergärens, Destillierens und Verschneidens führend. Hiram Walker, dessen Vorfahren aus Norwich in England stammten und der selbst 1816 in Douglas, Massachusetts, geboren wurde, war ein Unternehmer großen Stils. Er hatte sein Arbeitsleben hinter dem Schalter einer Textilwarenhandlung begonnen und sich anschließend selbständig gemacht; erst als Müller und Essigfabrikant und 1858 als Whiskybrenner. Um seine verschiedenen Unternehmen herum, hatte er auf der kanadischen Seite des Detroit River eine Industriestadt gebaut - Walkerville. Die Brennerei liegt an genau der Stelle, wo die Amerikaner im Zweiten Unabhängigkeitskrieg landeten, um Kanada von den Briten zu befreien". Das ehemalige Pioniergebiet wurde zu einer günstigen Verkaufslage. Als Hiram Walker Canadian Club herausbrachte, wuchsen schon Städte, die den Markt für ein solches Produkt abgaben. Eine dieser Städte, nämlich Detroit, sah er, wenn er über den Fluß in sein Geburtsland schaute. Canadian" war vielleicht damals schon ein Gütezeichen, Club" ganz gewiß und darum ging es. Er sollte ein anspruchsvoller Whisky für Clubmitglieder sein, für Gentlemen, nicht für Proleten. Zu einer Zeit, da Whisky faßweise verkauft und dann aus Karaffen ausgeschenkt wurde, war dieser abgefüllt und etikettiert, um die Herkunft zu garantieren. Hiram Walker lebt, mit ein oder zwei Destillateuren aus anderen Ländern - als Pionier des Markenwhiskys im Gedächtnis fort. Canadian Club war ein solcher Erfolg auf dem US-Markt, daß er überall nachgeahmt wurde. Als Hiram Walker 1899 starb, war Canadian" schon ein Gütezeichen für Whisky. Überall gab es Nachahmer, im Jahre 1900 wurden über 40 solcher Fälschungen entdeckt. Auch gab es Fälle von Club"-Whiskys, viele davon mit bemerkenswert ähnlichen Etiketten. Auf anderen Whiskys stand, sie seien nach dem kanadischen Verfahren" hergestellt. Die Firma Hiram Walker verkündete mit Zeitungsanzeigen, Plakaten und Rundschreiben die Echtheit ihres Produktes und entlarvte die Fälschungen. Agenten wurden mit Erfolg eingesetzt, um die Täter aufzuspüren und zu verklagen. In ihrem Bestreben, ihre Märkte zu schützen, erklärte Walkers auch, es gäbe kein kanadisches Verfahren", das US-Firmen kopieren könnten. Zwar gab es das, aber es wäre wohl schwer zu patentieren gewesen. Der Streit wurde noch hitziger, als die Lobby der US-Brenner in Washington einen Gerichtsentscheid durchdrückte, wonach Fuselöle für Whisk(e)y wesentlich seien und rektifizierter Sprit nicht in die Flasche gehörte. Daraufhin wurden 6.000 Kisten Canadian Club beschlagnahmt und nicht auf den amerikanischen Markt gelassen. Auf Anordnung von Präsident Taft fanden Anhörungen drei Wochen lang statt, um die Frage zu klären. Industrieexperten und Chemiker sagten aus, und das Ergebnis war ein Urteil, daß Whisky jeden aus Getreide gebrannten trinkbaren Branntwein einschließt". Eine klare Entscheidung, wenn auch kaum befriedigend - aber sie ließ Canadian Club für allemal im Lande zu. Aus solchen Kontroversen besteht die Geschichte de Whiskys. Als die Blended Whisky der Schotten durch die Londoner Urteile von 1905 - 1909 gerade zum Angriff auf den englischen Markt blasen durften, erhielten gleichzeitig die Kanadier durch den Entscheid aus Washington in den USA frei Hand. Das schottische Beispiel wird oft von Kanadiern angeführt, die die Vorzüge ihres eigenen nationalen Verfahrens, Whisky zu machen, anpreisen. Beide Länder schreiben Whisky gleich, aber Ihre Verfahren sind eigentlich nicht parallel. Die Schotten nehmen im allgemeinen einen wesentlich höheren Anteil Straight Whisky (in ihrem Fall Single Malt) als die Kanadier (mit ihrem Rye). Die Schotten blenden ihren Malt mit Grain Whisky, nicht mit neutralem Sprit; jener trägt stark zum Geschmack bei, dieser kaum. Die schottische Tradition der Lagerung in Sherryfässern wurde in Kanada durch Weinzusätze erweitert. Der Whisky kanadischen Typs hat seine eigene Art und Anhängerschaft und seine Beliebtheit erwies sich für Hiram Walker als lukrativ. Fünf Jahre vor seinem Tod baut er ein Verwaltungsgebäude im italienischen Renaissancestil, ein prachtvolles Bauwerk mit Arbeitsplätzen, vergleichbar der Halle einer Bank des 19. Jahrhunderts und Empfangsräumen, die an einen Londoner Herrenclub erinnern. Daneben ragt die Reihe cremefarbener Getreidesilos empor, zusammengedrängt wie Patronen in einem Revolvergürtel. Jenseits des Schienennetzes liegen die Backsteinbauten aus den 50er Jahren mit einer hochautomatisierten modernen Brennerei. Ringsum liegt die Stadt Walkerville. Nach Hiram Walkers Tod führten seine Söhne und Enkel das Unternehmen bis zur Zeit der Prohibition. Die Firma Hiram Walker ging dann in der noch älteren Brennereifirma Gooderham & Worts aus Toronto auf. Diese Firma wurde nicht von ihren Gründern geleitet, sondern von der Familie Hatch, die immer noch in der Leitung der heutigen Aktiengesellschaft - jetzt mit vollem Namen Hiram Walker - Gooderham & Worts - vertreten ist. Einer der Hatches heiratete in die Cognacfamilie ein und bereicherte damit die historische Beziehung Kanada - Frankreich um eine spirituelle" Verbindung. Die Firma ist am amerikanischen und schottischen Getränkegeschäft stark beteiligt und im Besitz so entlegener Marken wie Kahlua - Kaffeelikör aus Mexiko. 51% der Fimenaktien gehören Allied Breweries aus Großbritannien. Nach 100 Jahren ist Canadian Club immer noch ein klassischer Whiskyname. Er hat den trocken-fruchtigen Rye-Geschmack und einen herben, leicht rauchigen Abgang - man könnte es als Hausstil von Hiram Walkers Canadian Whiskys betrachten. Eine 12-jährige Version dieses Flaggschiffs, schlicht Canadian Club Classic genannt, hat einen früheren Super-Premium, Carleton Tower, verdrängt. Die Firma hat auch einen jüngeren, leichteren Whisky namens Imperial und den traditioneller schmeckenden Walkers Special Old Rye. Es gibt auch zwei Whiskys der Marke Gooderham, von denen Little Brown Jug noch mehr Rye-Charakter hat und der Bonded Stock eher weniger. Der würzige Royal Canadian, der mittelschwere Rich and Rare und Northern Light sind alle Walker-Sorten auf dem US-Markt. Die USA waren für Kanada immer ein riesiger Markt und während der sich überschneidenden Perioden des Ersten Weltkrieges und der Prohibition ein besonders lockender. Diese unruhige und wirre Zeit war das kriminelle Jugendalter des Whiskygeschäfts in Kanada. Während des Ersten Weltkrieges durften die Schotten noch Whisky produzieren, doch die kanadischen Brennereien mußten Industriealkohol machen. Ein Großteil des damals produzierten Scotch floß illegal nach Kanada, wo er mit fragwürdigen Spriten und Aromen versetzt und in die USA geschmuggelt wurde, um dort die Auswirkungen der Prohibition zu lindern. Als der Krieg aus war, galt im anglo-kanadischen Raum die total Prohibition. Trotzdem durften die Brennereien Whisky für den Export produzieren. Ein Großteil davon wurde über französische Inseln im St. Lawrence Strom oder angeblich sogar über Havanna geschleust, um die Sperre für Whiskyimporte in die USA zu brechen. Auf welchem Weg auch immer, er gelangte dorthin. In Schottland und Kanada stand das Establishment solchem Treiben zwiespältig gegenüber: Man freute sich der riesigen Einkünfte für die Volkswirtschaft, schämte sich aber der Unternehmer, die sie erwirtschafteten. |
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