Vor den allgemeinen indischen Wahlen vomvergangenen Mai bereiste einer der Kandidaten seinen Wahlkreismit einem Käfig voller grüner Papageien, die er daraufabgerichtet hatte, seinen Wahlslogan zu schreien. Bereits 100Jahre zuvor hatten die Gebrüder Pattison - zwei flamboyante und,wie sich herausstellte, durchtriebene Whiskyhändler ausEdinburgh - unter ihren Vertragshändlern 500 graue Papageienverteilt, die schnarrten: "Kaufen Sie Pattison Whisky!"Auch wenn es unsere Marketingleute hart trifft: es gibt nichtsNeues unter der Sonne.
Robert und Walter Pattison schrieben den kometenhaftenAufstieg ihres Whisky-Blending Unternehmens ihrer"raffinierten Werbung" zu. Zweifellos waren sie Meisterihres Fachs. So sollen sie in einem Jahr über £ 20 000 füreine weltumspannende Werbekampagne ausgegeben haben, und im Jahrdarauf gar das Dreifache. " ... die Werbung wurde in einembisher ungeahnten Ausmaß eingesetzt", wie es in einemzeitgenössischen Zeitungsbericht hieß. Und das in einemZeitalter, als die Werbung sich bereits großer Beliebtheiterfreute.
Die großen Markennamen wie Hovis, Beechams Pills, Nestle undsogar Kodak umwarben die kauflustige Öffentlichkeit täglich aufden Seiten der schottischen Tagespresse. Die Pattisons erfreutensich eines gewissen Vorsprungs durch eine breitgestreuteWerbekampagne für ihre Blends "The Doctor" und"The Gordon". (General Gordon von Khartoum in vollerParadeuniform auf der Etikette ließ imperiale Herzen unfehlbarhöher schlagen.)
Die Familie Pattison begann in Edinburgh im Milchgroßhandel,war aber gewitzt genug sich die Chance, mit dem Whisky einVermögen zu machen, nicht entgehen zu lassen. 1887 wurden siePartner im Blending-Geschäft und strichen zwei Jahre später £100 000 ein, als die Firma an der Börse kotiert wurde.
Sie waren ein Produkt ihrer Zeit und zögerten nicht, dieherrschende Modeströmung und den explodierenden Whiskymarkt zunutzen. Die Banken streckten großzügige Kredite vor und esherrschte kein Mangel an gutgläubigen, ja euphorischen Anlegern.Vor dem Hintergrund imperialer Größe erfreute sich dieGeschäftswelt Edinburghs und Umgebung eines beneidenswerten"Euphoriebonus".
Die beiden Brüder trieben die Idee des verschwenderischenLebensstils bis zum äußersten. Ihr luxuriöses Leben schien einBeweis für ihren unermeßlichen Reichtum und ihren großengeschäftlichen Erfolg. Nicht genug, daß sie palastähnlicheBesitzungen in Edinburgh ihr eigen nannten, wie das große Hausim Leith Walk und die marmornen Büros in der Constitution Street(allein das Lagerhaus kostete £ 60 000), sie begannen auch nochein Leben als Landadlige, mit Herrenhäusern und rollendenFeldern in den Borders, bei Clovenfords und Peebles.
Die langgewordenen Arbeitswege lieferten denVorwand für eine ihrer liebsten öffentlichen Auftritte: dasVerpassen der Eisenbahn. Es ging darum, zu spät auf demBahnsteig von Peebles oder Galashiels zu erscheinen und großeVerwirrung zu stiften. Wenn die Lokalpresse zur Stelle war,heuerten sie einen Privatzug zum Preis von £ 5 und 1 Schillingpro Meile, der sie zu ihren dringlichen Geschäften brachte.
Die geschäftliche Entwicklung war nicht wenigererstaunlich. Sie erwarben einen halben Anteil an der GlenfarclasBrennerei, nennenswerte Anteile der Oban undAultmore-Glenlivet-Brennereien und der Ardgowan LowlandGrain-Distillery. Mit dem Erwerb der Duddingston Brewerydiversifizierte die Firma auch in die Bierbrauerei. Und all diesweitgehend von geborgtem Geld. Es war ein Reich, das durchBankkredite und Taschenspielertricks entstanden war.
Um Geld für ihre Unternehmungen aufzutreiben,verkauften Walter und Robert Pattison Aktien, die sie später zuüberhöhten Preisen gegen Wechsel zurückkauften, die danndiskontiert wurden. Zur Wahrung des guten Scheins gingen sie zurÜberbewertung von Liegenschaften und zur Auszahlung vonDividenden aus dem Kapital über. Fast 30 Jahre später schriebWalter Ross, "... ihre Transaktionen waren so umfangreichund in ihren Verzweigungen so unübersichtlich, daß sie derGeschäftswelt eine waghalsige Mißachtung der grundlegenstenGeschäftsregeln einflößten."
Die fragwürdigere Seite ihrer Geschäfte bliebnicht völlig unbemerkt in zeitgenössischen Geschäftskreisen.Es gab Gerüchte und sorgenvolles Geflüster. Aber es warBoomzeit. Jeder, der Geld anzulegen hatte, wollte noch reicherwerden, und diese flamboyanten Brüder schienen den Weg zuweisen.
Da Bankkredite leicht erhältlich waren (Mitteder 1890er Jahre waren die Konten der Dewars Bank um £ 300 000überzogen, um das doppelte ihres Stammkapitals) "wurdenInvestoren und Spekulatoren der übelsten Art in den Strudelgezogen und beäugten einander argwöhnisch in ihrer Jagd nachdem Geld." Die Ironie der Geschichte wollte es, daß eineBank - Clydesdale - die Seifenblase der Pattisons platzen ließ,indem sie sich weigerte, einen Wechsel auf £ 9 000 zu bezahlen.
Neue Brennereien wurden errichtet(dreiunddreißig Malzdestillerien in den 1890ern allein) und neueUnternehmen gegründet, um bestehende aufzukaufen. Vieleverdoppelten oder verdreifachten gar ihren Ausstoß. Es entstandeine Überproduktion solchen Ausmaßes, daß die Auswirkungennoch Jahre später zu fühlen waren. Die Lagerhäuser waren ingrotesker Weise überfüllt. Im Jahr 1891/92 wurden jährlichknapp zwei Millionen Gallonen Malzwhisky eingelagert; 1898/99waren es dreizehneinhalb Millionen Gallonen.
Im Dezember 1898 kam der Zusammenbruch. Diegesamte Whiskybranche befand sich bereits im Abschwung und dieTaktiken der Pattisons setzten eine expandierende Wirtschaftvoraus. Der eigentliche Auslöser für den Absturz war laut derZeitung The Scotsman wahrscheinlich ein Gerücht.
In Edinburgh ging die Rede, daß "die FirmaEnde letzter Woche einen Kunden gedrängt hat, ein PaketWhiskyaktien zu zeichnen. Er hielt dies für mehr alsungewöhnlich und soll vielen Menschen davon erzählt haben.Wahrscheinlich ist das Gerede schließlich den Bankbehörden zuOhren gekommen."
Andererseits war Sir Robert Bruce Lockhart, derso wunderbar anekdotenreich über den Whisky schrieb, derMeinung, daß die eigentliche Ursache in der Spielleidenschaftder Schotten zu suchen sei. "Die allgemeine Annahme, daßder Schotte sich vor geschäftlichen Risiken scheut, beruht aufeinem Irrtum. Keine andere Rasse spekuliert waghalsiger. Dieschottische Geschichte ist reich an Beispielen für dieKatastrophen, die jene schnellreichen Schotten ereilten, die ihreSpekulation nicht durch Vorsicht zügelten.
Es trifft sich, daß sich der erschütternsteZusammenbruch der schottischen Geschichte genau zweihundert Jahrevorher ereignet hatte. 1696 hatte die unglückselige DarienCompany ein gezeichnetes Kapital von "respektablen" £400 000 - genau den gleichen Betrag wie das Kapital der Pattisons(Ltd.). Vor einiger Zeit schrieb The Scotsman: "Es handeltesich nicht nur um schottisches Geld; es war das Geld desschottischen Volks. Arm und reich, Hoch- und Flachländer,Meister und Diener, Herr und Knecht, alle waren vertreten auf derListe der Beitragzahler, die ganz Schottland umfaßte."
Das Scheitern des Darien-Projekts wurde durchtropische Krankheiten verursacht, nicht durch Inkompetenz oderBetrug, und seine Zeichner waren keine Abenteurer sondern nurunternehmungs-lustig. Die Geschicke der kurzlebigen Pattisonsnahmen vielleicht keine Herzen gefangen in ihren zwei Jahren undneun Monaten, aber sie verschlangen das Geld vieler Menschen, vondenen viele dem Herzen der schottischen Whiskyindustrie nahestanden.
Am 7. Dezember 1898 folgte der diskretenÜberschrift "Die Zahlungseinstellung der Pattisons(Ltd)" ein Absatz in meisterhaftem Understatement."Die Geschäfte der Pattisons (Ltd) waren gestern wieder dasallgemeine Gesprächsthema in Geschäftskreisen in Edinburgh, undaufgrund der vielfältigen Verflechtungen der Firma herrschte invielen, weit auseinanderliegenden Bezirken im ganzen Königreichlebhaftes Interesse an den Folgen der finanziellenSchwierigkeiten, in denen das Unternehmen sich befindet. Diesesind für das erste geregelt, und man kann sagen, daß die Krisevorerst behoben ist."
Diese wohlgesetzten Worte läuteten nach nur zweiJahren und neun Monaten den Zusammenbruch des glitzerndenImperiums ein. Es sollte spurlos verschwinden. 1896 hatten diePattisons ihr Whiskyblending-unternehmen, Pattisons (Ltd) miteinem Kapital von £ 40 000 an die Börse gebracht. Zwei Jahrespäter, am 6. Dezember 1898 stellten sie die Zahlungen ein.
Sie rissen neun weitere Unternehmen mit sich;zahllose kleine Zulieferbetriebe mußten aufgeben. Der von denGläubigern geforderte Betrag soll sich auf £ 743 000 belaufenhaben. Drei Jahre später erschienen Walter Gilchrist GrayPattison und Robert Pattison am Strafgericht vor dem oberstenLordrichter in Sachen betrügerische Unternehmensgründung,Betrug und Unterschlagung. Sie erhielten acht, bzw. 18 MonateGefängnis und haben sich nie erholt.
Das rückblickende Urteil der Branche war, eshatte zu einer solchen Katastrophe kommen müssen; es wäre sooder so passiert. Im Jahr des Pattison-Bankrotts lagerten 13,5Millionen Gallonen Whisky unter Zollverschluß. Die Banken zogenihre Kredite zurück und der Markt wurde überschwemmt. AndereUnternehmen scheiterten in kurzen Abständen.
Aber gemäß dem sprichwörtlichen Hasen und demIgel schob sich ein Gewinner über die Ziellinie. Die DCL hatteall diese Stürme mit vergleichsweiser Leichtigkeit überstanden.Nun kamen die kostbaren Pattison Lagerhäuser, die £ 60 000gekostet hatten, auf den Markt. Die DCL erwarb sie für £ 25 000und ging still ihrer Wege, als erwiesener Marktführer.
Gillian Strickland
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