Der Quaich



Erinnern Sie sich an die gute alte Zeit? Als das Leben nocheinfach war, die Brenner mit den Zollbeamten Katz und Mausspielten und die Leute Whisky aus alten Stiefeln tranken? Nun,vielleicht ist letzteres übertrieben, aber bei einigen Islays(wie dem beachtlichen Lagavulins von Weihnachten) wäre dasvielleicht interessant. Und die Leute haben ihren Whisky schon inausgefallenere Gefäße getan.

Das klassische Trinkgefäß für Whisky ist der Quaich,abgeleitet vom gälischen cuach, was soviel wie Becheroder Schale bedeutet. Heute betrachtet man die Quaichs mitgemischten Gefühlen. Sie sind schön, aber man kann sich - einbißchen wie im Fall des alten Stiefels - schwer vorstellen,tatsächlich Whisky daraus zu trinken. Ein gutes Whiskyglasverjüngt sich nach oben hin, um das Whiskyaroma zu verstärken.Kenner (und das sind alle Mitglieder der Society) wissen, daßdie zylindrischen Becher und andere "Whisky"gläser,deren Öffnung so breit ist wie ihr Fuß, nur etwas für Banausensind. Wenn wir also einen Quaich sehen, der die Form einerflachen Schale hat, fragen wir uns, was für ein Whisky darausgetrunken wurde.

Wie dem auch sei, die Quaichs sind eine altehrwürdigeschottische Tradition. Sie sind eine eigentlich schottischeErfindung und haben keinerlei direkte Verbindung zu irgendwelchenanderen europäischen Trinkgefäßen. Quaichs wurden nicht nurfür Whisky benutzt; größere Exemplare brauchte man für Bierund andere Getränke. Der früheste schriftliche Beleg für denQuaich stammt aus dem Jahr 1546, als er schon ein festerBestandteil schottischer Kultur war. Form und Gestaltung destraditionellen Quaich wurden in der "klassischen"Quaichperiode zwischen 1660 und 1710 festgelegt. Bis in jeneZeit, wurden die Quaichs meist aus Holz gefertigt. Er späterwurden silberne Quaichs üblich.

Der klassische Holzquaich hat die Form einer flachen Schale.Die Seiten verjüngen sich nach dem Rand, was ihnen eineanmutige, elegante Erscheinung verleiht. An den Seiten sindHenkel ("lugs") angebracht, welche oft silberbeschlagensind. Die meisten Quaichs haben zwei Henkel, manche jedoch hattendrei oder sogar vier lugs, die um den Quaich herum verteiltwaren.

Die Quaichmacherei war ein hochgeachtetes Handwerk imSchottland des 17. Jahrhunderts. Die Quaichmacher stelltenwahrscheinlich alle möglichen Eß- und Trinkutensilien her,leiteten jedoch den Namen ihres Handwerks von ihren Prunkstückenab, ähnlich wie die Gold- und Silberhandwerker, die sichGoldschmiede nannten.

Wie überall, ist auch hier die Nachahmung die ehrlichste Formder Schmeichelei. Die Quaichs erfreuten sich einer derartigenBeliebtheit, daß die Oberschicht ihre Quaichs unbedingt ausEdelmetallen gefertigt haben wollte. Dies stellte gewisseProbleme, weil ein Holzquaich eine währschafte Angelegenheit mitdickem Boden ist. Es wäre schwierig gewesen für eine vornehmeschottische Lady, anmutig an einem Bierquaich zu nippen, der dasGewicht eines Feldsteins hat. Die Lösung bestand in derFertigung aus Silberblech, das den Seiten eine gleichmäßigeDicke verlieh. Dadurch wurde es möglich, Metallquaichsherzustellen, die zwar die äußere Form der Holzquaichs, abereine viel tiefere, schüsselartige Ausnehmung in ihrem Innerenhatten.

Die frühesten Quaichs waren aus einem einzigen Holzstückgefertigt, das auf einer Drehbank gedreht wurde. Die Henkelwurden zum Teil mit Silber beschlagen und boten so Raum fürInitialen. Im Schottland des 17. Jahrhunderts war es Mode,überall Initialen anzubringen: auf Besteck, an Möbeln,Türbalken, der Zimmerdecke, am Fachwerk des Hauses und,natürlich, dem Quaich.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert tauchte der ausDauben gefertigte Quaich auf. Dieser besteht aus dreieckigenHolzdauben, die an ihren Spitzen miteinander verbunden sind. DieDauben sind aus verschiedenen Holzarten und -farben, um dieSchönheit des fertigen Quaichs hervorzuheben. Die meistenQuaichs haben 10, 12 oder 14 Dauben, obwohl auch 16 nicht seltenvorkamen; gelegentlich findet man auch einen Quaich mit einerungeraden Anzahl von Dauben (vielleicht von einem Quaichmacher,der etwas zu tief ins Glas gesehen hatte?). Die Dauben könnenvon gleicher oder unterschiedlicher Breite sein, und jeder Henkelist die Fortsetzung einer einzelnen Daube.

Die Dauben treffen in der Mitte des Quaich an einemkleinen, runden Einsatz aufeinander. Die Dauben kommen entwederradial, wie Sonnenstrahlen, zusammen oder tangential (sieherechts). Oft wurden die Dauben auch mit Nut und Feder verbunden.Dabei werden kleine Späne an der Seite der Daube geschnitten undabgebogen, passend zu den entsprechenden Schnitten an dergegenüberliegenden Daube (siehe Skizze). Normalerweise sind jezwei Dauben durch zwei Nut und Feder-Paare verbunden.Zusammengehalten wird der Quaich durch die Federn (fallsvorhanden) und durch die Dauben umgebende Weidenholz- (withies)oder Silberbänder.

Ich habe Quaichs im National Museum of Scotland inEdinburgh kennengelernt. Die Ausstellung zeigte die Geschichtedes Quaich und einige moderne Reproduktionen. Letztere stammtenvon Richard Brockbank, einem Schnitzer und Künstler, der sichder schwierigen Aufgabe verschrieben hat, die klassischenHolzquaichs zu reproduzieren. Gemäß dem National Museum"gleichen seine Quaichs aufs genaueste den Originalen inProportionen und Aussehen". Da ich kein Historiker bin, kannich nur sagen, daß sie eine Augenweide sind.

Richard Brockbank hat zwei Arten von Quaich reproduziert: denaus einem einzigen Stück Holz gefertigten Quaich und denDaubenquaich aus 12 gleichförmigen Dauben. Er verwendet einegroße Vielzahl einheimischer schottischer Hölzer, wie z.B.Goldregen, Kirsche, Apfel, Eibe und Ulme.

Er arbeitet auch mit Nut und Feder, obwohl dies technischeProbleme stellt. Die Dauben müssen dafür vor dem Zusammenfügengrob geformt sein, damit die Nuten und Federn akkurat geschnittenwerden können. Der Quaich wird dann zusammengefügt und auf derDrehbank fertig gemacht. Außerdem muß die Hälfte der Federngegen die Faser geschnitten werden, was bei härteren Hölzernschwierig ist.

Auch heute werden noch Quaichs hergestellt, meist als Preisefür Sportanlässe oder als Kunst-objekte. Die meisten modernenQuaichs jedoch haben wenig mit der klassischen Form zu tun. Daist es erfrischend, einen Handwerker zu finden, der dieklassischen Quaichs des 17. Jahrhundert wieder herstellt. Quaichswerden zwar nicht mehr als Trinkgefäße benutzt, außervielleicht bei Hochzeiten und anderen Zeremonien, doch sie sindein schönes Beispiel für alte Handwerkskunst und stehen füralte schottische Tradition.

Bradley Richards

Wenn Ihnen Tradition am Herzen liegt, könnten Sieschlimmere Fehler begehen, als Ihren eigenen Quaich in Auftrag zugeben. Sie kosten zwischen £200 und £300. Wenn Sie dieSchweizer Büros der Society besuchen möchten, zeigen wir Ihnengerne die Quaichs, die wir nach unserem Besuch im National Museumin Auftrag gegeben haben. Oder wenden Sie sich direkt an RichardBrockbank: Mr. Richard Brockbank, Bay Cottage, Findhorn, MorayIV36 OYY, Scotland, UK.


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